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Ansteckende Spielfreude und brillante schauspielerische Leistungen im Musical „My Fair Lady“ bei den Eutiner Festspielen

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von Katrin Dürwald „My Fair Lady“ hat sich seit der Uraufführung am 6. Juli zum absoluten Publikumsliebling entwickelt. Lobende Kritiken und Bombenwetter sorgten dafür, dass die Eutiner Festspiele zusätzliche Spieltermine ansetzten, um dem großen Zuschauerinteresse entgegenzukommen. Auch am vergangenen Sonnabend waren die Plätze auf der Freilichtbühne des Schlossparks wieder restlos ausverkauft. Doch dieses Mal war etwas anders als bei den vorherigen Vorführungen: Die Unverlässlichkeit des Holsteiner Wetters war zurück. Die Ränge der Tribüne schillerten in den bunten Farben von Regencapes und -Jacken, erfahrene Besucher trugen Regenhosen, andere hatten sich Müllsäcke um die Beine geschlungen, die Sitze wurden mit mitgebrachten Handtüchern getrocknet, Thermounterlagen herausgekramt – es dauerte etwas länger, bis sich die Gäste in den Rängen häuslich eingerichtet hatten. Die Spielleitung hatte das Regenradar studiert und den Beginn der Vorstellung um eine halbe Stunde nach hinten

Wandern auf den Lebensstationen eines rechtschaffenen Freimaurers im Eutiner Schlosspark

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von Katrin Dürwald Seit fast fünfzehn Jahren veranstaltet die Eutiner Loge “Zum Goldenen Apfel” in den Sommermonaten kostenlose Führungen durch den Eutiner Schlosspark. In ihm sind freimaurerische Gestaltungselemente aus dem Ende der 18. Jahrhunderts bis heute erhalten geblieben. Für den ungeschulten Besucher sind diese nicht ohne weiteres erkennbar. Umso besser ist es, dass Logenmitglied Dieter Orzelak diese geheimen Symbole entschlüsseln kann und heute etwa 20 Gäste auf eine Reise ins späte 18. Jahrhundert mitnimmt. Dieter Orzelak erklärt seinen Besuchern die Bedeutung des Monopteros. Wer bei Freimaurern gleich an Dan Brown denkt und im Eutiner Schloss geheime Schatzkammern vermutet, der wird enttäuscht. Wir stehen im rechteckigen Innenhof des Schlosses, dessen linker Hintereingang zum Schloss-Café führt. „Dies ist das Freimaurer-Portal“, erklärt Orzelak. Als die Eutiner Loge 1771 gegründet wurde, bekam sie ihre Räumlichkeiten im Schloss. Das lag vermutlich daran, dass ih

Hier haben nicht nur Mädels Spaß – Heiße Zeiten – Die Wechseljahre-Revue

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von Katrin Dürwald Als vier als Stewardessen verkleidete Männer in blaugelbem Kostüm und blonder Prinz Eisenherz-Perücke die Bühne betreten, habe ich ein Déjà-vu: habe ich das Stück schon einmal gesehen? – Das Gefühl habe ich auch noch bei einigen Songs, aber das Stück läuft seit 2011 so erfolgreich im St. Pauli Theater, dass es mir auch aus dem Fernsehen oder aus Erzählungen von Freunden bekannt sein könnte. Die Handlung spielt im Terminal des Frankfurter Flughafens, an dem die Karrierefrau (Jutta Habicht), die Vornehme (Laura Leyh), die Junge (Susanne Hayo) und die Hausfrau (Sabine Urig) aufeinandertreffen. Beim Durchschreiten der Sicherheitsschranke erscheint für jede der Frauen ein Kurzprofil auf dem Abflugmonitor, das neben ihrem Alter, Beruf und Familienstand jeweils auch beinhaltet, wann sie das letzte Mal Sex hatte. Allein das liefert bereits die ersten Lacher: die Karrierefrau gestern, die Junge nach Ovulationskalender, die Vornehme jedenfalls nicht gestern oder vorgest

Der Grandseigneur der Klarinette Giora Feidman zu Gast in der Kulturwerft Gollan in Lübeck

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von Katrin Dürwald Es ist der bisher heißeste Tag des Jahres, und auf der A1 verursachen mehrere Unfälle auf den ohnehin schon eingeschränkten Fahrbahnen kilometerlange Staus - mittendrin wir auf dem Weg in die Kulturwerft Gollan in Lübeck. Eine halbe Stunde Puffer reicht nicht aus, mehrere Autos kommen noch nach uns an, ein Fahrer zuckt hilflos lächelnd mit den Schultern. Im Vorraum treffen wir den netten Einweiser, der uns die Tür zum Saal in einer der ersten Klatschpausen öffnet. Die Hitze, die uns beim Eintreten entgegenschlägt, raubt uns fast den Atem. Schwitzig eilen wir zu den Plätzen, während Giora Feidman – trägt er wirklich noch einen Blazer in dieser Hitze? – sein nächstes Lied ankündigt. Er erklärt, dass er noch jeden Tag etwas dazulerne: „Today I learn on how to play in a sauna!“ – Lacher.  Die vier Männer auf der Bühne sind der Erneuerer des Klezmers, Giora Feidman, der Kontrabassist Guido Jäger, Enrique Ugarte mit dem Akkordeon und Murat Coskun, Percussion. Wir

Hochkarätiges A-Capella Ensemble aus Dresden in der Neukirchner St. Johannis-Kirche

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von Katrin Dürwald „Über den Wolken“, so lautete das Programm der vier jungen Männer, allesamt ehemalige Sänger des Dresdner Kreuzchores, am gestrigen Abend in der Neukirchner St. Johannis-Kirche. Sie bescherten den Besuchern ein buntes Potpourri aus geistlichen Liedern, Pop-Balladen und einen musikalischen Ausflug in die 30er mit bekannten Stücken der Comedian Harmonists. Der Verein der Freunde des Kurparks hatte diesen Abend möglich gemacht. Hausherr Stefan Grützmacher mutmaßte, dass angesichts des guten Wetters vielleicht manch Einer verlockt gewesen sei, lieber den Grill anzuwerfen. Doch der Kulturbeauftragte der Kurparkfreunde, Dietrich Busch, zeigte sich erfreut über die rege Teilnahme von etwa fünfzig Besuchern. Das Echo-Ensemble bestand an diesem Abend aus einem Bariton und drei Tenören, von denen einer auch die Countertenorlage beherrschte. Sie begannen mit geistlichen Renaissance- und Barockliedern, wobei „Nun danket alle Gott“ von Johann Sebastian Bach das Bek

Sommerlicher Vorgeschmack auf das Festival „Musik in den Häusern der Stadt“

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Jungpianisten Hanni Liang und Alexander Vorontsov zeigen Fingerfertigkeit und Spielfreude von Katrin Dürwald Der Tonali-Saal ist ein sehr junger Konzertsaal und gleichzeitig ein sehr alter. Das Gebäude wurde um 1890 als Pferdestall im Hinterhof des Grindelviertels errichtet und diente später unter anderem als Spirituosenlager. Vor kurzem wurde die Decke angehoben und mit zeitgemäßer Technik versehen. Die Wände wurden geweißt, aber man kann im Mauerwerk noch deutlich ehemalige Türen erkennen, und die Fenster versprühen noch 70er Jahre- Charme. Seit Januar dieses Jahres gibt es den Tonali-Saal. Beim Betreten steigt einem ein feucht-schimmliger Geruch in die Nase, der für ein feuchtes Mauerwerk spricht. Hohe Luftfeuchtigkeit und schlechte Belüftung könnten dem Steinway-Flügel auf Dauer schaden, befürchte ich. Abgesehen davon fängt man hier ganz von selbst an zu schwitzen. Viele Frauen entledigen sich ihrer Jäckchen, und ich beneide diejenigen, die sich für das Tragen von Sandalen e

Tingvall Trio mit stimmungsvollem Jazz in Hasselburger Konzertscheune

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Das hochkarätige Jazztrio aus Hamburg glänzt vor kundigem Publikum. von Katrin Dürwald Lausbübisch wie Michel aus Lönneberga steht Martin Tingvall am Mikro und erklärt mit unverkennbar schwedischen Akzent, aber in gutem Deutsch, die Entstehungsgeschichte eines Songs. Dabei spricht er bedächtig und nimmt sich Zeit für Pausen. Er nimmt sich selbst nicht zu ernst, ganz schwedisches Understatement. „Dieser Song ist zwischen Wolken in Hamburg entstanden“, und nach einer Pause „Ihr kennt das Wetter in Hamburg, die Zeit zwischen Wolken ist kurz und wertvoll.“ Er liest das nächste Stück von einem Zettel ab, den er aus seiner Westentasche kramt. Dieser Zettel ist reine Makulatur, denn keiner der Musiker braucht am heutigen Abend Noten – ihre Hände spielen das Repertoire wie rückenmarkgesteuert. Konzertbesucher genießen die ländliche Atmosphäre auf Gut Hasselburg. Das Tingvall Trio ist erstmals beim SHMF dabei –ein Gewinn fürs Festival! Es besteht aus dem schwedischen Pianist

Entlang an den Schrebergärten der Bille und dem kleinen Glück ihrer Bewohner

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Per Barkasse unterwegs in Horn – Hamm – Hammerbrook - Rothenburgsort von Katrin Dürwald Wer Hamburgs Schokoladen-Seite sehen will, unternimmt eine Fahrt in die Alster-Kanäle. Wer den Duft der großen weiten Welt schnuppern möchte, der entscheidet sich für eine Hafenrundfahrt. Aber wer Hamburg von seiner schlichten und ehrlichsten Seite erleben will, dem sei eine Barkassenfahrt über die Bille und deren angrenzende Kanäle empfohlen! Das Stadtteilarchiv Hamm bietet diese besondere Tour in Zusammenarbeit mit Barkassen-Meyer an. An die Karten zu kommen, ist nicht ganz einfach. Denn die Hamburger gehen in ihrer Heimat gern selbst auf Erkundungstour. Wir haben Glück und besteigen an der Brücke 2 bei den Landungsbrücken die frisch renovierte Barkasse „Gerda 2.0“. Neben uns sitzen Rentnergrüppchen und ältere Ehepaare sowie ein paar junge Pärchen, die alle aus Hamburg kommen. Man kennt sich meist von vorherigen Touren, kein Tourist hat es aufs Schiff geschafft. Das Boot fährt

Per Segway über Ohlsdorf Friedhof - Fahrerlebnis in wunderbarer Parklandschaft

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von Katrin Dürwald Die beste Zeit, um mit einem Segway den Ohlsdorfer Friedhof zu erkunden, ist zur Zeit der Rhododendron-Blüte im Mai und Juni. Aber dieser Sommer verlockt dazu, es auch zu einer späteren Zeit auszuprobieren. Dr. Michael Peter bietet seit gut sechs Jahren geführte Touren über den Ohlsdorfer Friedhof an. Bei meinem ersten Besuch allein mit dem Fahrrad hatte ich mich prompt verirrt. Beim zweiten Besuch – ausgestattet mit einer Karte der Friedhofsverwaltung – fand ich zwar einige bekannte Gräber, verirrte mich aber kurze Zeit später aufs Neue. 377ha Parkfläche und verschachtelte Wege hatten meinen Orientierungssinn überfordert. Es gibt geführte Spaziergänge und Radtouren, und es gibt die coolen Stehroller von Dr. Peter. „Bis vor einigen Jahren durften die Leute noch allein mit dem Segway über den Friedhof fahren, aber das führte immer zu Ärger“, erklärt mir Dr. Peter, der während der Tour Michael heißt. Die Besucher hielten sich nicht an die Vorgabe, den Or

Veel Spaas bi „Hallo Dolly“ in’t Ohnsorg!

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von Katrin Dürwald Mit dieser Inszenierung ist Regisseur Frank Thannhäuser etwas ganz Großes gelungen: Lebendiges Platt, 60er Jahre Broadway-Stimmung, tolle Tanzeinlagen und mitreißende Gesangsnummern sorgen für anhaltenden Jubel beim Publikum. "Hallo Dolly" liebevolle gemachtes Muscial auf Broadway-Niveau (Quelle: https://www.ohnsorg.de) Das Ohnsorg-Theater ist so kuschelig konzipiert, dass man getrost auch günstigere Karten nehmen kann. Dann sitzt man zwar den Schauspielern nicht auf dem Schoß, aber man hat trotzdem gute Sicht bei Wohnzimmeratmosphäre. Gerade nun vor mir sitzt ein alter Herr, der die gesamte Sitzreihe um einen halben Kopf überragt, dabei sah er stehend gar nicht so groß aus. Bevor ich mich darüber ärgern kann, dreht sich der Herr um und fragt mich, ob ich was sehen kann! – Ich bin zu überrumpelt um abzuwiegeln und sage ihm, es werde schon gehen. Da zieht er ein dickes rotes Sitzkissen unter seinem Hintern hervor, sackt nach unten ab und lacht.

Fazil Say und Marianne Crebassa von romantisch verklärt bis mahnend politisch

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von Katrin Dürwald „Fazil Say hat sich darüber geärgert, dass er heute Klavier üben muss, wo er doch am liebsten WM schauen würde“, erklärt mir Tülay, die ein Fan des türkischen Pianisten ist und ihm auf Facebook folgt. Das finde ich sehr sympathisch, denn ich habe auch nicht immer Lust, meinen Pflichten nachzukommen. Fazil Say ist schon oft in Hamburg aufgetreten, war 2011 auch bei Schleswig-Holstein-Musik-Festival aktiv, aber dies ist meine erste Begegnung mit ihm. Er tritt auf mit der gerade mal 31jährigen, französischen Mezzosopranistin Marianne Crebassa, einer zartgebauten Brünetten mit langen Haaren. Crebassa singt unter Begeitung des Pianisten Fazil Say französische Lieder der Spät-Romantik Am kleinen Saal der Elphi missfällt mir vor allem seine enge und spartanische Bestuhlung. Ich habe jedes Mal den Eindruck, sie hätten wieder eine Stuhlreihe mehr hineingedrückt. Der Abend beginnt mit drei Melodien von Debussy. Crebassas Stimme ist glockenrein und durchdringt mü

Wie in Trance: Leonidas Kavakos spielt Schostakowitsch‘ Violinkonzert Nr. 1 bravourös!

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von Katrin Dürwald Während sich das Orchester einstimmt, frohlockt mein Ohr bereits, denn für diesen Klang wurde der große Saal der „Elphi“ optimiert, und man hört es; schon das polyphone Nachjustieren der Instrumente des NDR Elbphilharmonie Orchesters versetzt einen in neugierige Erwartung. Der Dirigent Jukka-Pekka Saraste gibt sein Elphi-Debüt mit Nielsens Helios-Ouvertüre, dem 1. Violinkonzert von Schostakowitsch und Sibelius‘ 5. Symphonie. Er wird freundlich vom Hamburger Publikum aufgenommen, verbeugt sich kurz und beginnt mit Nielsen. Diese 1903 uraufgeführte Komposition beschrieb Nielsen als ein Lob und Preis der Sonne. Das Stück beginnt mit langen Basstönen quasi im Morgengrauen. Nach und nach kommen feierlich, fast pathetisch, Waldhörner dazu, der Morgen erwacht mit dem Einsetzen der Streicher, und die Sonne triumphiert zu Trompetenfanfaren. Dieser lautmalerische Umgang mit dem Tagesverlauf erinnert ein wenig an Smetanas „Moldau“. Das Stück wird bis heute zum Jahreswechsel