Tingvall Trio mit stimmungsvollem Jazz in Hasselburger Konzertscheune
Das hochkarätige Jazztrio aus Hamburg glänzt vor kundigem Publikum.
von Katrin Dürwald
Lausbübisch wie Michel aus Lönneberga steht Martin Tingvall am Mikro und erklärt mit unverkennbar schwedischen Akzent, aber in gutem Deutsch, die Entstehungsgeschichte eines Songs. Dabei spricht er bedächtig und nimmt sich Zeit für Pausen. Er nimmt sich selbst nicht zu ernst, ganz schwedisches Understatement. „Dieser Song ist zwischen Wolken in Hamburg entstanden“, und nach einer Pause „Ihr kennt das Wetter in Hamburg, die Zeit zwischen Wolken ist kurz und wertvoll.“ Er liest das nächste Stück von einem Zettel ab, den er aus seiner Westentasche kramt. Dieser Zettel ist reine Makulatur, denn keiner der Musiker braucht am heutigen Abend Noten – ihre Hände spielen das Repertoire wie rückenmarkgesteuert.
Lausbübisch wie Michel aus Lönneberga steht Martin Tingvall am Mikro und erklärt mit unverkennbar schwedischen Akzent, aber in gutem Deutsch, die Entstehungsgeschichte eines Songs. Dabei spricht er bedächtig und nimmt sich Zeit für Pausen. Er nimmt sich selbst nicht zu ernst, ganz schwedisches Understatement. „Dieser Song ist zwischen Wolken in Hamburg entstanden“, und nach einer Pause „Ihr kennt das Wetter in Hamburg, die Zeit zwischen Wolken ist kurz und wertvoll.“ Er liest das nächste Stück von einem Zettel ab, den er aus seiner Westentasche kramt. Dieser Zettel ist reine Makulatur, denn keiner der Musiker braucht am heutigen Abend Noten – ihre Hände spielen das Repertoire wie rückenmarkgesteuert.
Konzertbesucher genießen die ländliche Atmosphäre auf Gut Hasselburg. |
Das Tingvall Trio ist erstmals beim SHMF dabei –ein Gewinn
fürs Festival! Es besteht aus dem schwedischen Pianisten Martin Tingvall, dem
kubanischen Kontrabassisten Omar Rodriguez Calvo und dem deutschen Schlagzeuger
Jürgen Spiegel. Ihre erste Platte war 2006 „Skagerrak“. Es folgten „Norr“
(2008), „Vattensaga“ (2009), „Vägen“ (2011) und „Beat“ (2014). Die Musik
zeichnet sich durch ihre melodische Zugänglichkeit aus und steht in der
Tradition des früheren Esbjörn Svensson Trios.
Mit drei Stücken ihres aktuellen Albums „Cirklar“ (2017), auf
Deutsch „Lebenskreise“, beginnt der Abend. Auffallend ist die akustische Hervorhebung
des Kontrabassisten. Anders als auf den Studioalben haben sich Tontechniker und
Musiker dafür entschieden, den Bass lauter zu regeln und ihn mit einem
Nachklang zu versehen. Auf diese Weise kommt der warme Sound des Basses in der
Scheune besser zum Tragen, und das kundige Publikum ist fasziniert von der
Fingerfertigkeit Rodriguez Calvos. Er erntet den ersten spontanen
Zwischenbeifall und bleibt während des gesamten Abends der Liebling der
Besucher. Tingvall und Spiegel feiern ihn neidlos mit.
Die Drei sind perfekt aufeinander abgestimmt. Das wird vor allem in den schnelleren, rhythmisch geprägten Stücken deutlich, bei dem sich Tingvall und Spiegel die Bälle zuwerfen und der Pianist den Flügel mehr als Percussionsinstrument verwendet denn zur Melodieführung. Den unverwechselbaren Sound verdankt das Trio den eingängigen Melodien ihres Pianisten. Tingvall versteht es, einprägsame Melodiefetzen zu komponieren und diese im Zusammenspiel mit Rodriguez Calvo und Spiegel dramatisch zu verdichten. Im Kopf des Zuhörers entsteht dadurch der Eindruck einer Geschichte. Wäre Tingvall als Künstler allein, könnte seine Musik leicht in Richtung von Ludovico Einaudi abgleiten, aber Rodriguez Calvo und Spiegel agieren als Jazz-Korrektiv. Sie durchbrechen die nordisch, träumerischen Melodien und reichern sie um Jazz-Standards an. Tingvall beschreibt die Zuarbeit des Kontrabassisten grinsend als „kranken Sound“. Er meint es anerkennend, der Kubaner weiß das und lächelt.
Klavierstimmer justiert in der Konzertpause nach |
Ein Drittel des Publikums besteht aus Gästen der KPMG. Die Unternehmensberatung
ist Hauptsponsor des Festivals und hat ihre wichtigsten Kunden und Manager zum
Konzert eingeladen. Sie schreiten in der Pause wie eine geschlossene
Hochzeitsgesellschaft zum Herrenhaus. Krethi und Plethi wandeln derweil über den
Rasen der Gutsanlage. Der linke Scheunenbau wird gerade grundsaniert. Die
Anlage gehört der Schweizer Stahlberg-Stiftung, Hausherrin ist Heikedine
Körting-Beurmann, die zusammen mit ihrem Mann an diesem Abend auch anwesend ist.
Vor dem Stück „Evighedsmaskinen“ erzählt Tingvall von einem Radiointerview
mit einer alten Frau, die gefragt wurde, wie sie sich mit ihren 80 Jahren fühle.
Sie habe geantwortet: wenn ich mit meinen Enkeln spiele, bin ich 8 – und wenn
ich eine bestimmte Musik höre, bin ich 18. Ich kann mich frei entscheiden, wie
alt ich mich fühlen möchte. Man müsse sich einen Baum mit seinen Jahresringen vorstellen,
auf dem man frei zwischen den Jahresringen hüpfen könne. Als das Publikum
klatscht, sagt er bescheiden, der Beifall könne nur der weisen Frau gelten, er
sei noch nicht so weit.
Den Schluss hält er gleichermaßen unprätentiös. Er schaut
auf seinen Zettel und sagt, er sei nun beinah durch. Sie spielen noch „Skansk
Blues“ und geben eine kleine Zugabe.
Als wir nach Hause fahren, sieht der
Himmel aus wie ein Plattencover der Band: der fahlblaue Himmel ist von dunkelgrauen
Schleierwolken durchzogen, hinter den frisch abgeernteten Gerstenfelder drehen sich behäbig rotblinkende Windräder. Beseelt lauschen wir den
Klängen des Tingvall Trios nach.
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