Per Segway über Ohlsdorf Friedhof - Fahrerlebnis in wunderbarer Parklandschaft


von Katrin Dürwald
Die beste Zeit, um mit einem Segway den Ohlsdorfer Friedhof zu erkunden, ist zur Zeit der Rhododendron-Blüte im Mai und Juni. Aber dieser Sommer verlockt dazu, es auch zu einer späteren Zeit auszuprobieren. Dr. Michael Peter bietet seit gut sechs Jahren geführte Touren über den Ohlsdorfer Friedhof an.

Bei meinem ersten Besuch allein mit dem Fahrrad hatte ich mich prompt verirrt. Beim zweiten Besuch – ausgestattet mit einer Karte der Friedhofsverwaltung – fand ich zwar einige bekannte Gräber, verirrte mich aber kurze Zeit später aufs Neue. 377ha Parkfläche und verschachtelte Wege hatten meinen Orientierungssinn überfordert.
T-Teich Friedhof Ohlsdorf Bramfeld Hamburg

Es gibt geführte Spaziergänge und Radtouren, und es gibt die coolen Stehroller von Dr. Peter. „Bis vor einigen Jahren durften die Leute noch allein mit dem Segway über den Friedhof fahren, aber das führte immer zu Ärger“, erklärt mir Dr. Peter, der während der Tour Michael heißt. Die Besucher hielten sich nicht an die Vorgabe, den Ort der Stille zu achten, oder sie rauschten direkt in eine Trauerfeier. Seitdem führt Michael die Besucher lieber selbst. Er erkundigt sich im Vorwege bei der Friedhofsverwaltung, wo und wann Trauerfeiern sind, und umfährt diese weiträumig. Der rüstige Endsechziger betreibt Segway-Touren in Ohlsdorf, Öjendorf, in der Hafen-City und auch in Heiligenhafen. Mit der Anschaffung der teuren Geräte hat sich der ehemalige Besitzer eines Softwarehauses einen Traum erfüllt. Er wollte etwas machen, woran sowohl er als auch seine Kunden Spaß haben.

Geduldig und mit sparsamen Anweisungen erklärt er jedem Fahranfänger die Funktionsweise des Segways. Dadurch, dass er selbst fast freihändig fahren kann, schöpfen auch die Älteren von uns gleich Mut. Mit der richtigen Gewichtsverlagerung setzt sich der Segway in Bewegung, das Lenken ist ein Kinderspiel. Die Stehroller schaffen bis zu 20 km/h.

Segway Tour Friedhof Ohlsdorf Hamburg
Michael startet mit uns an der Seehofstraße nordöstlich des Bramfelder Sees und nimmt uns mit an den T-Teich. Dieser künstliche Teich liegt im Erweiterungsgelände, das 1913 von der Dorfgemeinde Bramfeld erworben wurde und 1920 im Rahmen eines Notstandsprogramms von Arbeitslosen nach den Plänen von Wilhelm Cordes und Otto Linne gestaltet wurde. Wir halten am Freilichtmuseum des Friedhofs, wo man sich historische Grabsteinkultur ansehen kann. Kurze Zeit später halten wir an der Grabstätte des verstorbenen Altkanzlers Helmut Schmidt. Michael erzählt, dass auf dem Grabstein oftmals eine frische Packung Menthol Zigaretten liegt. Heute gibt es keine. Auf kleinen verschlungenen Wegen führt uns Michael zum großen Mausoleum von Heinrich von Ohlendorff, dem von Bismarck zum Freiherrn erhobenen Kaufmann, der mit dem Import von Guano zu Wohlstand gekommen war. Die Hamburger nannten ihn zu der Zeit den „Guano-Baron“. Das kleinere Mausoleum seines Bruders Albert steht auf der Rückseite. Wir schauen uns die „Hudtwalcker-Stele“
Hudtwalcker Stele Ohlsdorf Friedhof Hamburgan, dem einzigen runden Grabstein, der ursprünglich auf einem Friedhof in der Hamburger Innenstadt stand.
Vorbei geht es am Grab von Hans Albers (der nur 69 Jahre alt wurde, wie ich dabei feststelle), und dann fahren wir zu weiteren Mausoleen. Einige davon haben nach Jahrzehnten des Verfalls neue Pächter gefunden, die die Gebäude liebevoll saniert haben. Im Dornröschenschlaf befindet sich immer noch das größte Mausoleum Nordeuropas, das der Familie von Schröder. 2009 hatte Klausmartin Kretschmer, der Besitzer der Schanzen-Flora, die Patenschaft übernommen, wollte daraus eine Kunstgalerie machen, aber 2015 platzte der Traum.



In der Kapelle 12 des Friedhofs schauen wir uns die überirdischen Setzkasten-Urnen an, fahren an den Rasen mit den anonymen Bestattungen („billigste Art, sich bestatten zu lassen, hier 879 Euro“) vorbei, sehen moderne Bestattungsformen wie Inschriften auf Steinplatten oder
Bäumen und lernen viel über die heutige Beerdigungskultur. Michael erzählt uns, dass die Bestattungen in Ohlsdorf jährlich abnehmen. Waren es vor einigen Jahren noch 4.500, wurden im Jahr 2017 „nur“ noch 2.500 Bestattungen gezählt. So könnte man in manchen Ecken des Friedhofs denken, in einem normalen Park zu sein. Nur vereinzelt weist ein Grab auf seine eigentliche Bestimmung hin. Michael sagt, dass die Friedhofsverwaltung darauf hinarbeite, manche Gebiete „grabfrei“ zu bekommen. Man könne dann vielleicht Teile des Friedhofs entwidmen und die Parkanlage für Freizeitaktivitäten öffnen. Windspiele und eine farbenfrohe Bepflanzung weisen auf Kindergräber hin. Traurig fahren wir an ihnen vorbei. Kurze Zeit später erreichen wir die englischen Soldatenfriedhöfe. „Wir sind jetzt auf englischem Territorium“, weist uns Michael auf die Besonderheit hin, dass dieses Stück Land offiziell an Großbritannien abgetreten wurde. Englische Landschaftsgärtner würden sich jede Woche um die Pflege der Anlage kümmern, so Michael.
Nach gut eineinhalb Stunden nähern wir uns wieder dem Ausgangspunkt unserer Tour. Wir haben etwa 7km Fahrstrecke hinter uns. Diese Distanz hätten wir zu Fuß mit den Pausen nicht geschafft. – Ich bin begeistert von Ohlsdorf, und von den Segways. Vielleicht fahre ich als nächstes Mal über den Graswarder von Heiligenhafen?

Friedhof Ohlsdorf Mausoleum von Schröder


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