„My Polish heart“ – macht neugierig auf Mehr
Im November 2018 feiert Polen den 100. Jahrestag seiner
Unabhängigkeit. Der NDR hat dies zum Anlass genommen, das Land unter dem Titel „My
Polish heart“ in den Fokus zu rücken, mit zahlreichen Konzerten in der
Elbphilharmonie. Der junge Stardirigent Krzysztof Urbański schlägt im Konzert
mit dem NDR Elbphilharmonieorchester mit Chopin, Lutosławski und Penderecki einen
Bogen von der Romantik bis in die zeitgenössische polnische Musikszene.
Ein Kollege und Kenner dieser polnischen Musikszene hatte
bei den Namen Penderecki und Lutosławski grinsend abgewunken. Aha, bekannt wie
bunte Hunde in Polen, aber nicht unbedingt be- und geliebt, war meine
Schlussfolgerung gewesen.
Pendereckis Stück „Polymorphia“ ist ein Auftragswerk des NDR
aus dem Jahre 1961, als Penderecki zusammen mit Stockhausen noch als
Avantgardist galt und für die neue Moderne stand. Es wurde am 16.04.1962 in
Hamburg uraufgeführt und ist ein Geräuschkonzert für 48 Streicher. Penderecki bringt
darin die klanglichen Fähigkeiten der Ausführenden an ihre technischen Grenzen:
Quietschen, Wehklagen, Murmeln und Knurren, ein Ausdruck von Geräuschen und
Effekten. Es ist das Stück, mit dem Penderecki internationale Bekanntheit
gewann; vier Jahre nach der Uraufführung adelte ihn Herbert von Karajan mit
einer Aufnahme des Stücks. Urbański modulierte das NDR Elbphilharmonie
Orchester mit zarten Streichbewegungen der Hände und trieb es zu abrupten Tempowechseln
an. Der Spannungsbogen des etwa zehnminütigen Stücks wurde auf diese Weise
wunderbar gehalten und mündete in den als Befreiung wahrgenommenen großen
C-Dur-Akkord. Das Stück hat 57 Jahre nach seiner Entstehung noch keine Patina
eingesetzt, auch wenn es für den Sonorismus der 50/60er Jahre steht. – Ein
cooler Auftakt.
Mit dem nächsten zwei Stücken, dem Rondo à la krakowiak und
dem Andante spianato et Grande Polonaise brillante von Chopin, kehrten wir
zurück in die polnische Romantik, und Urbánski bekam junge Verstärkung in Form
von Pianist Jan Lisiecki. Jetzt standen da zwei elegant gekleidete Jungs auf
der Bühne; Krzysztof Urbański mit seinem frechen Designer-Haarschnitt und der
schmale Jan Lisiecki. Warum diese Musikauswahl?, dachte man beim Studieren des
Programmhefts, denn die Krakowiak ist ein Frühwerk Chopins und doch eher
bieder. Aber es sind beides Stücke aus dem aktuellen Chopin Album von Jan
Liesicki, das im März des Jahres den kanadischen Juno Award für das
Klassikalbum des Jahres erhielt; ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Insbesondere bei der Polonaise trat das virtuose Können des 23Jährigen zutage,
und das Hamburger Publikum feierte den jungen Pianisten ausdauernd.
Die Paganini-Variationen gehören zu der meistaufgeführten Kompositionen
Witold Lutosławskis. Sie stammen aus der Zeit der deutschen Besetzung Polens
1941, als Lutosławski und sein Freund Andrzej Panufnik ihren Lebensunterhalt
als Kaffeehausmusiker bestritten. Er konnte das Werk vor der Zerstörung
Warschaus retten, zahlreiche andere Noten gingen in den Flammen verloren. Wenn
auch verfremdet packte einen das berühmte Thema aus der „24. Paganini-Caprice
a-Moll“ sofort. In diesem zehnminütigen Spielspaß zeigte Liesicki fulminantes
Tempo und Prägnanz, das Orchester spielte brillant und fügte Kraft und
schillernde Farben hinzu.
In der abschließenden „Mala suita“, einem folkloristisch
geprägten Stück Lutosławskis, traten einzelne Orchestermusiker als Solisten
hervor und zeigten auf diese Weise die Erstklassigkeit des NDR Elbphilharmonie
Orchesters.
Stardirigent Urbański mit dem NDR Elbphilharmnie Orchester |
Wenn auch manch einer die Musikauswahl als „nicht
zusammenpassend“ wertete, die Zusammenstellung ergab aufgrund des
Zusammenspiels von Urbański und Liesicki durchaus Sinn und fügte sich
harmonisch zu einem wunderbaren Erlebnis zusammen.
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