Entlang an den Schrebergärten der Bille und dem kleinen Glück ihrer Bewohner


Per Barkasse unterwegs in Horn – Hamm – Hammerbrook - Rothenburgsort

von Katrin Dürwald
Barkassenfahrt Elbe Hamburg Kanalfahrt
Wer Hamburgs Schokoladen-Seite sehen will, unternimmt eine Fahrt in die Alster-Kanäle. Wer den Duft der großen weiten Welt schnuppern möchte, der entscheidet sich für eine Hafenrundfahrt. Aber wer Hamburg von seiner schlichten und ehrlichsten Seite erleben will, dem sei eine Barkassenfahrt über die Bille und deren angrenzende Kanäle empfohlen!

Das Stadtteilarchiv Hamm bietet diese besondere Tour in Zusammenarbeit mit Barkassen-Meyer an. An die Karten zu kommen, ist nicht ganz einfach. Denn die Hamburger gehen in ihrer Heimat gern selbst auf Erkundungstour. Wir haben Glück und besteigen an der Brücke 2 bei den Landungsbrücken die frisch renovierte Barkasse „Gerda 2.0“. Neben uns sitzen Rentnergrüppchen und ältere Ehepaare sowie ein paar junge Pärchen, die alle aus Hamburg kommen. Man kennt sich meist von vorherigen Touren, kein Tourist hat es aufs Schiff geschafft.

Das Boot fährt westwärts an der Elbphilharmonie, dem Marco-Polo-Tower und dem Unilever-Gebäude vorbei. Unser Guide ist Helmuth Lorenzen-Schmidt vom Stadtteilarchiv Hamm. Neben seinem Interesse für historische Themen empfiehlt er uns auf der Backbord-Seite einen Besuch bei „Langnese“. Der Typ ist mir gleich sympathisch! - Wir sehen die großen Kräne von der Baustelle zum Übersee-Quartier und die kleinen historisch anmutenden Kräne, die man dort zur Straßenbeleuchtung verwendet. Wir unterqueren die Elbbrücken und fahren kurze Zeit später an der Halbinsel „Entenwerder“ entlang. Von dort winken uns zahlreiche Besucher des „goldenen“ Pavillons, Café „Entenwerder1“, freundlich zu. Die Skulptur wurde vom Gründer des Modeunternehmens Thomas i-Punkt auf Entenwerder platziert, von dort hat man einen herrlichen Blick auf die Elbinsel Kaltehofe und das Bille-Sperrwerk. Dort begegnen wir dem
HafenCity RiverBus Hamburg Elbe Amphibienfahrzeug
HafenCity RiverBus - seit 2016 auf der Elbe unterwegs
Amphibienfahrzeug, „HafenCity RiverBus“, der tief in der Elbe liegend uns entgegenschwimmt.
Wir verabschieden uns von dem weitläufigen Blick über Elbe und Hafen und fahren in die Billwerder Bucht. Mit dem Passieren der Tiefstack-Schleuse sind wir tidenunabhängig unterwegs, erzählt uns Lorenzen-Schmidt. Auf der Steuerbord-Seite gleiten wir am Kraftwerk Tiefstack und der Müllverwertungsanlage Borsigstraße vorbei. Die Bootsgäste kommen unserem Guide zuvor und rufen „Klabautermann“! – Lorenzen-Schmidt lacht und informiert die Unwissenden unter uns, dass der Klabautermann ein berüchtigter Rocker-Treff in den 70er Jahren war. „Zu uns traute sich nicht mal die Polizei!“, brüstet sich ein noch immer etwas aufmüpfig wirkender End-Sechziger mit weißen, schulterlangen Haaren. Soso!

Wir schippern an einem Gebäudekomplex entlang, der neu und ungewohnt orientalisch daherkommt. Es sind die Hansaterrassen, entstanden zwischen 2013 und 2015. Weißer Putz mit weißem Mosaik und golden verzierten Balkonbrüstungen wecken bei mir den Eindruck, dass das Gebäude für Dubai
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In die Jahre gekommener 50er Jahre Wohnungsbau
geplant worden sei. Gleich dahinter steht ein heruntergekommener Klinker aus den 50er Jahren. So kontrastreich geht es weiter. Wir passieren Schrottplätze, alte Lagergebäude, mal genutzt und leidlich gepflegt, mal abrissreif. Schattige, alte Wohnhäuser und bescheidene Neubauten wechseln sich ab. Sehr schön gepflegt kommt der Hauptsitz der Firma Leser daher. Das Unternehmen ist Europas größter Hersteller von Sicherheitsventilen. Es hebt sich vom morbiden Charme seiner Umgebung deutlich ab.
Dass wir ganz in Nähe der großen Durchgangsstraßen Heidenkampsweg und Eiffestraße sind, davon merken wir nichts. Wir sehen Haubentaucher und Blesshühner und schippern an eleganten Hausbooten vorbei, auf deren Terrassen sich junge Leute in Bikini und Badehose tummeln. Lorenzen-Schmidt führt aus, dass der Hamburger Osten im Sommer 1943 durch den Feuersturm der Operation Gomorrha weitgehend zerstört wurde. In den dicht besiedelten Arbeitervierteln Hamm, Billbrook, Borgfelde, Rothenburgsort und Hammerbrook starben rund 40.000 Menschen. Historische Fotos gehen rum. „In Rothenburgsort hatte man die Menschen nicht bergen können. Ein riesiger Friedhof. Man ließ deswegen bis Ende der 70er Jahre keine Wohnbebauung zu“, erklärt uns Lorenzen-Schmidt. Erst ab 1980 habe man wieder damit begonnen, neuen Wohnraum zu schaffen. In der Zeit der Vernachlässigung nach dem Krieg hat sich dafür viel Industrie breitgemacht.

Im Hochwasser-Bassin liegt nicht nur der „Berliner Bogen“, ein mehrfach ausgezeichnetes Bürogebäude, sondern auch viele Hausboote. Wir stellen uns vor, wie wir darin wohnen könnten, bis jemand die Liegeplatz-Gebühr von 1.800€ monatlich anspricht. Aus der Traum! –
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Dann vielleicht doch lieber einen Schrebergartenplatz an der Bille? – „Da melden Sie sich schon mal an, und ihre Enkel werden es Ihnen danken“, lässt Lorenzen-Schmidt auch diesen Traum platzen. Wir fahren wieder raus aus der Stadt und am Bille-Kanal entlang. Hier liegen wunderbare Schrebergärten und Behelfsheime, die das individuelle Glück ihrer Besitzer und Pächter ausstrahlen. Für den einen scheint dies in einem schnellen Boot zu liegen, ein anderer hat lieber in eine Designer-Hütte investiert. Es gibt zugewucherte und mustergültig getrimmte Gärten. Eine ältere Dame sprengt ihre Blumen und winkt mit der Brause, als sie uns entdeckt. Ein Mann geht mit seinem Hund schwimmen, ein Angler genießt die Abendsonne. Es ist dieses Glück des kleinen Mannes, das mir an der Tour so gefällt.

Es gefällt mir auch, dass der Stadtteil-Experte fast ganz ohne abgedroschenes Seemannsgarn auskommt. Nur einmal juckt es ihn, da berichtet er von zwei Maurern, die auf einem Hausboot beim Ausbau des Kellers ertrunken sind. Die Barkasse lacht; es sei ihm gegönnt!

Kehrwiederspitze Elbphilharmonie Elbe Hamburg

Tourkarte
Quelle: maps.google.de

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