Ansteckende Spielfreude und brillante schauspielerische Leistungen im Musical „My Fair Lady“ bei den Eutiner Festspielen


von Katrin Dürwald
„My Fair Lady“ hat sich seit der Uraufführung am 6. Juli zum absoluten Publikumsliebling entwickelt. Lobende Kritiken und Bombenwetter sorgten dafür, dass die Eutiner Festspiele zusätzliche Spieltermine ansetzten, um dem großen Zuschauerinteresse entgegenzukommen.
Auch am vergangenen Sonnabend waren die Plätze auf der Freilichtbühne des Schlossparks wieder restlos ausverkauft. Doch dieses Mal war etwas anders als bei den vorherigen Vorführungen: Die Unverlässlichkeit des Holsteiner Wetters war zurück.
Eutiner Festspiele, My Fair Lady, Publikum in Regenzeug
Die Ränge der Tribüne schillerten in den bunten Farben von Regencapes und -Jacken, erfahrene Besucher trugen Regenhosen, andere hatten sich Müllsäcke um die Beine geschlungen, die Sitze wurden mit mitgebrachten Handtüchern getrocknet, Thermounterlagen herausgekramt – es dauerte etwas länger, bis sich die Gäste in den Rängen häuslich eingerichtet hatten. Die Spielleitung hatte das Regenradar studiert und den Beginn der Vorstellung um eine halbe Stunde nach hinten verschoben. Die Vorhersage stimmte genau, es wurde kurz danach trocken, was viele Besucher zum Anlass nahmen, ihren mitgebrachten Sekt schon mal vor Veranstaltungsbeginn zu köpfen. Wie gewohnt gingen Tupperschalen mit Snacks herum, und wie gewohnt kam man schnell sitzreihenübergreifend ins Gespräch.
Eutiner Festspiele, 2018, My Fair Lady, Bühnenbild, Orchestergraben

Wetterbedingt lag der Orchestergraben unter einer regendichten Plane. Die Eingangsmelodie nahm man dadurch nur gedämpft wahr. Die Stimmen waren aber dank der fast unsichtbar an der Wange angebrachten Mikrofone sehr klar und wurden mit einem weit verzweigten Lautsprechernetz bis in den obersten Rang übertragen.

Mit charmanter Unbeholfenheit spielt Désirée Brodka das Blumenmädchen Eliza Dolittle, das vom Sprachprofessor Higgins (gespielt von Guido Weber) und seinem Freund Oberst Pickering (gespielt von Claus J. Frankl) zum Spielball einer Wette wird: Higgins wettet, dass er Eliza ihre „Berliner Schnauze“ binnen drei Monaten abgewöhnen kann und ihre einfache Herkunft in der feinen Gesellschaft des Buckingham Palasts unerkannt bleiben wird. Mit der Aussicht auf einen eigenen Blumenladen lässt sich Eliza auf die Wette ein. Sie zieht in die Villa des Professors und beginnt ihren Sprach- und Benimmunterricht, bei dem es neben sprachlichen Rückschlägen immer wieder zu herrlich pointierten Dialogen zwischen den drei Hauptdarstellern kommt.
Arbeiter in London, My Fair Lady, Eutiner Festspiele
Der Vater von Eliza ist der notorische Nichtsnutz Alfred P. Dolittle, gespielt von Thomas Schirano. Er singt das Lied „Mit nem kleen Stückchen Glück“(With a little bit of luck), und das Publikum klatscht freudig beim Refrain mit. Es folgen das bekannte Lied zu Elizas sprachlichem Durchbruch: „Es grünt so grün“ (The rain in Spain), und dann „Ich hätt' getanzt heut Nacht“ (I could have danced tonight). Brodka singt die Lieder souverän, aber es ist vor allem die schauspielere Glanzleistung, mit der sie das Publikum für sich einnimmt. Gestisch und mimisch zieht sie alle Register; mal agiert sie verspielt naiv, dann wieder setzt sie ihre weiblichen Reize bewusst ein.

Das Bühnenbild besteht aus zehn hoch aufragenden Türmchen, die zu Beginn dunkle Ziegelsteine zeigen. An die Hausmauern gelehnt stehen Arbeiter im Gespräch, und auf der Bühne bieten Frauen ihre Waren zum Verkauf an. Doch das Bild des Londoner Marktplatzes verwandelt sich in weniger als einer Minute in eine Villa. Auf zwei Stockwerken öffnen sich grüne Fensterläden aus dem Mauerwerk, und in einem zweiten Schritt werden Bücherreihen und Fensterbögen sichtbar. Fertig ist das Wohnzimmer in der Villa des Professors! – Das einfache und doch unheimlich dynamische Bühnenbild nach den Entwürfen von Ursula Wandaress ist besonders gelungen.

Bei der Auswahl ihrer Nebendarsteller haben die Eutiner Festspiele ein feines Händchen bewiesen! Herausragend ulkig in ihrer Rolle als Higgins‘ Haushälterin Mrs Pearce ist Eva Schneidereit, sehr elegant und einnehmend spielt Gerlind Rosenbusch Higgins‘ Mutter, und der junge Bariton Aarne Pelkonen singt mit „In der Straße wohnst du“ (On the street where you live) eins der schönsten Lieder des Stücks. Auch Eutin profitiert von den Absolventen der Hamburger Stage School: Die Tanzdarbietungen auf den schrägen (und vom Regen überdies feuchten) Holzbohlen werden perfekt dargeboten von Jan Reimitz, Maximilian Zumstein, Alisa Riccobene und Alice Wittmer.

Auch wenn das Orchester dank der behutsamen Leitung durch Romely Pfund passgenau auf die Taktung der Sänger abgestimmt war und die Verzögerungen durch Beifall austarierte, blieb es ein Manko, dass man sie nur durch die Plane hören konnte. Auch der Chorgesang blieb hinter meinen Erwartungen zurück; ein paar Stimmen mehr auf der Bühne hätten dem Volumen gutgetan. In einer Szene versagt das Mikro von Professor Higgins, so ist das bei Live-Events. Er verlässt kurz die Bühne und kommt mit einem neuen Mikro an der Wange zurück, nur dass es nun mit Leukoplast befestigt ist.
My Fair Lady, Szene Ascot, Eliza Dolittle verfolgt das Rennen

Die Musical-Technik ermöglicht es, die Handlung manchmal direkt an den Rand des Publikums zu verlagern, wovon gezielt Gebrauch gemacht wird. Und ein bisschen Klamauk darf auch nicht fehlen. So spricht Oberst Higgins einmal direkt mit der Dirigentin Romely Pfund, und ins Pferderennen bei Ascot verirrt sich ein Indianer auf einem echten Pferd, der sich bei der feinen Gesellschaft nach dem Weg nach Segeberg erkundigt. Es gibt auch Telefonate mit Theresa May und Anspielungen auf den Brexit; nicht alle Witze kommen gleich gut beim Publikum an, aber das Pferd bleibt auch in den Gesprächen auf dem Heimweg ein Highlight.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Per Segway über Ohlsdorf Friedhof - Fahrerlebnis in wunderbarer Parklandschaft

„My Polish heart“ – macht neugierig auf Mehr

Dumm und lustgeil durch die Welt - Comedian Dietmar Wischmeyer in der Markthalle