Ansteckende Spielfreude und brillante schauspielerische Leistungen im Musical „My Fair Lady“ bei den Eutiner Festspielen
von Katrin Dürwald
„My Fair Lady“ hat sich seit der Uraufführung am 6. Juli zum absoluten Publikumsliebling entwickelt. Lobende Kritiken und Bombenwetter sorgten dafür, dass die Eutiner Festspiele zusätzliche Spieltermine ansetzten, um dem großen Zuschauerinteresse entgegenzukommen.
„My Fair Lady“ hat sich seit der Uraufführung am 6. Juli zum absoluten Publikumsliebling entwickelt. Lobende Kritiken und Bombenwetter sorgten dafür, dass die Eutiner Festspiele zusätzliche Spieltermine ansetzten, um dem großen Zuschauerinteresse entgegenzukommen.
Auch am vergangenen Sonnabend waren die Plätze auf der
Freilichtbühne des Schlossparks wieder restlos ausverkauft. Doch dieses Mal war
etwas anders als bei den vorherigen Vorführungen: Die Unverlässlichkeit des Holsteiner
Wetters war zurück.
Die Ränge der Tribüne schillerten in den bunten Farben von
Regencapes und -Jacken, erfahrene Besucher trugen Regenhosen, andere hatten
sich Müllsäcke um die Beine geschlungen, die Sitze wurden mit mitgebrachten
Handtüchern getrocknet, Thermounterlagen herausgekramt – es dauerte etwas
länger, bis sich die Gäste in den Rängen häuslich eingerichtet hatten. Die
Spielleitung hatte das Regenradar studiert und den Beginn der Vorstellung um
eine halbe Stunde nach hinten verschoben. Die Vorhersage stimmte genau, es wurde
kurz danach trocken, was viele Besucher zum Anlass nahmen, ihren mitgebrachten
Sekt schon mal vor Veranstaltungsbeginn zu köpfen. Wie gewohnt gingen
Tupperschalen mit Snacks herum, und wie gewohnt kam man schnell sitzreihenübergreifend
ins Gespräch.
Wetterbedingt lag der Orchestergraben unter einer
regendichten Plane. Die Eingangsmelodie nahm man dadurch nur gedämpft wahr. Die
Stimmen waren aber dank der fast unsichtbar an der Wange angebrachten Mikrofone
sehr klar und wurden mit einem weit verzweigten Lautsprechernetz bis in den obersten
Rang übertragen.
Mit charmanter Unbeholfenheit spielt Désirée Brodka das
Blumenmädchen Eliza Dolittle, das vom Sprachprofessor Higgins (gespielt von
Guido Weber) und seinem Freund Oberst Pickering (gespielt von Claus J. Frankl)
zum Spielball einer Wette wird: Higgins wettet, dass er Eliza ihre „Berliner
Schnauze“ binnen drei Monaten abgewöhnen kann und ihre einfache Herkunft in der
feinen Gesellschaft des Buckingham Palasts unerkannt bleiben wird. Mit der
Aussicht auf einen eigenen Blumenladen lässt sich Eliza auf die Wette ein. Sie
zieht in die Villa des Professors und beginnt ihren Sprach- und Benimmunterricht,
bei dem es neben sprachlichen Rückschlägen immer wieder zu herrlich pointierten
Dialogen zwischen den drei Hauptdarstellern kommt.
Der Vater von Eliza ist der notorische Nichtsnutz Alfred P.
Dolittle, gespielt von Thomas Schirano. Er singt das Lied „Mit nem kleen
Stückchen Glück“(With a little bit of luck), und das Publikum klatscht freudig beim
Refrain mit. Es folgen das bekannte Lied zu Elizas sprachlichem Durchbruch: „Es
grünt so grün“ (The rain in Spain), und dann „Ich hätt' getanzt heut Nacht“ (I
could have danced tonight). Brodka singt die Lieder souverän, aber es ist vor
allem die schauspielere Glanzleistung, mit der sie das Publikum für sich
einnimmt. Gestisch und mimisch zieht sie alle Register; mal agiert sie verspielt
naiv, dann wieder setzt sie ihre weiblichen Reize bewusst ein.
Das Bühnenbild besteht aus zehn hoch aufragenden Türmchen, die zu Beginn dunkle Ziegelsteine zeigen. An die Hausmauern gelehnt stehen Arbeiter im Gespräch, und auf der Bühne bieten Frauen ihre Waren zum Verkauf an. Doch das Bild des Londoner Marktplatzes verwandelt sich in weniger als einer Minute in eine Villa. Auf zwei Stockwerken öffnen sich grüne Fensterläden aus dem Mauerwerk, und in einem zweiten Schritt werden Bücherreihen und Fensterbögen sichtbar. Fertig ist das Wohnzimmer in der Villa des Professors! – Das einfache und doch unheimlich dynamische Bühnenbild nach den Entwürfen von Ursula Wandaress ist besonders gelungen.
Bei der Auswahl ihrer Nebendarsteller haben die Eutiner
Festspiele ein feines Händchen bewiesen! Herausragend ulkig in ihrer Rolle als
Higgins‘ Haushälterin Mrs Pearce ist Eva Schneidereit, sehr elegant und
einnehmend spielt Gerlind Rosenbusch Higgins‘ Mutter, und der junge Bariton Aarne
Pelkonen singt mit „In der Straße wohnst du“ (On the street where you live) eins
der schönsten Lieder des Stücks. Auch Eutin profitiert von den Absolventen der Hamburger
Stage School: Die Tanzdarbietungen auf den schrägen (und vom Regen überdies
feuchten) Holzbohlen werden perfekt dargeboten von Jan Reimitz, Maximilian Zumstein,
Alisa Riccobene und Alice Wittmer.
Auch wenn das Orchester dank der behutsamen Leitung durch
Romely Pfund passgenau auf die Taktung der Sänger abgestimmt war und die Verzögerungen
durch Beifall austarierte, blieb es ein Manko, dass man sie nur durch die Plane
hören konnte. Auch der Chorgesang blieb hinter meinen Erwartungen zurück; ein
paar Stimmen mehr auf der Bühne hätten dem Volumen gutgetan. In einer Szene versagt
das Mikro von Professor Higgins, so ist das bei Live-Events. Er verlässt kurz die
Bühne und kommt mit einem neuen Mikro an der Wange zurück, nur dass es nun mit Leukoplast
befestigt ist.
Die Musical-Technik ermöglicht es, die Handlung manchmal
direkt an den Rand des Publikums zu verlagern, wovon gezielt Gebrauch gemacht wird.
Und ein bisschen Klamauk darf auch nicht fehlen. So spricht Oberst Higgins
einmal direkt mit der Dirigentin Romely Pfund, und ins Pferderennen bei Ascot
verirrt sich ein Indianer auf einem echten Pferd, der sich bei der feinen
Gesellschaft nach dem Weg nach Segeberg erkundigt. Es gibt auch Telefonate mit
Theresa May und Anspielungen auf den Brexit; nicht alle Witze kommen gleich gut
beim Publikum an, aber das Pferd bleibt auch in den Gesprächen auf dem Heimweg ein
Highlight.
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