Leon Bridges erneuert den Funk-Soul – woher kommt das Retro-Label?
von Katrin Dürwald
Wie viele junge Frauen haben sich die Tickets für Leon Bridges
allein aufgrund des Songs „River“ aus der TV-Serie „Big Little Lies“ gekauft? -
Ein schweifender Blick ins Publikum des gut gefüllten Docks an diesem Abend lässt
erahnen, dass es hier kaum eingefleischte Leon-Bridges-Fans gibt, sondern dass die
Hamburger neugierig sind auf diesen jungen Sänger mit der weichen und doch so kraftvollen
Crooner-Stimme. Es wird ein Abend des Kennenlernens, der hanseatisch abwartend startet
und im Verlauf des Abends in wohlige Begeisterung umschlägt.
Wenn von Leon Bridges die Rede ist, steht sein Name gern im
Zusammenhang mit Otis Redding und Sam Cooke. Schubladenartig nennt man es Retro-Funk
der 60er und 70er Jahre, was Bridges da 2015 auf seiner Platte „Coming Home“
und dieses Jahr mit dem Album „Good Thing" produziert hat. Man nennt ihn
auch häufig in Zusammenhang mit Michael Kiwanuka, wobei mir ihr gemeinsamer
Nenner „Revival des Soul“ etwas zu allgemein erscheint.
Wenn man dem 29jährigen Texaner zuhört, dann kommen
keineswegs nostalgische Gefühle hoch: seine Musik wird getragen durch einen
starken Bass, durch Einflüsse des Rap und durch Anleihen aus den späten 90ern.
Man hört die Einflüsse von Usher, Ginuwine und Bruno Mars genauso wie die
älterer Soul-Musiker. Bridges bedient sich aus den Riffs und Melodien der
Vergangenheit und formt sie zu etwas Neuem. Teilweise fordern die nicht gerade
eingängigen, allein auf Rhythmus und seine Stimme aufbauenden Songs das daran
nicht gewöhnte Ohr. Dann wippt man mit, ohne melodisch in Begeisterung zu fallen,
aber musikalisch ist das Neuland. Vielleicht wie ein guter Wein, der erst
langsam an Geschmack gewinnt.
Der Junge sieht erst einmal unsexy aus, wie er da so in
einer zu groß wirkenden Kunstlederhose, einem schwarzen Oberhemd mit gelbleuchtendem
Drachenmuster auf dem Rücken und gewichsten schwarzen Schuhen auf der Bühne
steht. Hinter ihm tummelt sich die siebenköpfige Band, bestehend aus Drums,
Bass, zwei Gitarren, Keys und einer weiblichen und einem männlichen BackgroundsängerIn.
Er beginnt mit dem Song „If It Feels A Good (Then It Must Be)“, einem der
bekannteren Stücke auf seinem neuen Album. Es folgt „Bad Bad News“. Seine
Stimme erfüllt den Raum und setzt sich gut ausbalanciert von der klasse
aufspielenden Band ab. Er choreographiert seine Musik mit ausdrucksstarken
Gesten und HipHop-Tanz, und meine Herren, tanzen kann er! – Es ist eine Freude
diesen Einklang von Musik und Tanz zu beobachten.
In mehreren Liedern verweist er auf seine texanische
Herkunft, was bei den Hamburgern natürlich nicht den gleichen Effekt hat wie
bei einem Auftritt in den USA. Dennoch hört man daraufhin in den Songs „Hold on“,
„Mrs“ und „Georgia To Texas“ ein Bekenntnis zu seiner Heimat. Die Bandbreite seiner
Musik reicht von eingängigen Popsongs über Gesangssolos zu tanzbarem Funk. Das
Publikum ist gleichzeitig relaxed und begeistert. Der Beifall fällt nicht frenetisch,
aber lang anhaltend aus – den sie sind sich alle sicher, dass es das noch nicht
gewesen sein kann.
Und richtig, er kehrt allein mit seiner aus den Youtube-Videos
bekannten Backgroundsängerin auf die Bühne zurück und liefert mit ihr seinen filmbekannten
Schmusesong „River“, für den er selbst zur Gitarre greift, und der nur von den
Keys behutsam untermalt wird. Ein gelungener Abend, eine Wahnsinns-Stimme und
ein sehr ernsthafter Künstler.
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