Animalisch-sexy! - Israel Nash im Nochtspeicher
von Katrin Dürwald
Es herrscht kein Gedränge im Nochtspeicher, was zwar nicht
gut ist für die Einnahmen der Band, aber angenehm fürs Publikum. Stehend hat
man reichlich Platz, und die Luftzufuhr ist gut. In der Hand ein Bier und
direkten Blick auf die Bühne, was will man mehr? Im Publikum mehr Männer als
Frauen, junge Bartträger in Holzfällerhemden, Mittfünfziger mit schütterem Haar
und einsame Wölfe unbestimmten Alters. Vielversprechendes Umfeld, das einem
sagt, wo man steht – ähnlich wie bei Trailern im Kino, die einem auch sagen, ob
man gleich einen guten Film sehen wird.charmant plaudernder Matthew Logan Vasquez |
Zum Warm-up tritt Matthew Logan Vasquez auf die Bühne. Er trägt eine dunkle Janis Joplin Brille und eine Baseballmütze, unter der seine dicken braunen Haare unbändig hinter seinen Ohren hervorwuscheln. Das sieht hinterwäldlerisch aus und soll vermutlich zeigen, dass ihm sein Aussehen völlig gleichgültig ist. Seine Songs sind melodisch und schwanken zwischen Blues und Country. Er ist selbstbewusst und frech. Als sein Handy ins Soundsystem knattert, wirft er es kurzerhand fort und lacht. – Zwischen den melancholischen Songs erzählt er die Geschichte von seinem senilen Schwiegervater, der ihn aus seiner wunderbar warmen Heimatstadt Austin in Texas nach Oslo geführt habe. In seinen Worten drückt sich Commitment für die Familie aus. Der Song „Oslo“ gefällt mir aufgrund dieser Geschichte am besten. So eingestimmt erwartet das Auditorium Israel Nash und Band.
Die Jungs stürmen auf die Bühne, schnappen sich ihre
Gitarren und spielen mit „Rolling On“ den ersten Song vom neuesten Album
„Lifted“, was den Anlass für die Deutschlandtournee bildet. Der Funke springt
sofort über, und unsere Körper bewegen sich rhythmisch mit dem
metallisch-melancholischen Sound. Es folgen mit „Lucky Ones“ und „Spirit Falls“
die besten Songs des aktuellen Albums. Die Band besteht aus Israel Nash
(Gesang, Gitarre), Roger Sollenberger (Leadgitarre), Aaron McClellan (Bass),
Josh Fleischmann (Schlagzeug) und Eric Swanson (Pedal Steel-Gitarre, Keyboard,
Gitarre). Israel Nash ist kein Schönling. Seine langen Rockerhaare wirken
zottelig dünn, das Gesicht sieht älter aus als seine 35 Lenze. Und doch hat der
Typ was. Er erinnert mich an Raimund Harmstorf, animalisch und kraftvoll. Während
seine knubbeligen Finger die weiße Gitarre bearbeiten, sucht immer wieder die
Nähe zu seinem brillant aufspielenden Leadgitarristen Roger Sollenberger, der
für viele der unverkennbaren Nash-Riffs verantwortlich zeichnet. Nach kurzer
Zeit fliegen Schweißtropfen, und Nash kleben die Haare im Gesicht. Er scheint sich
längst in Trance gespielt zu haben. Begeisterte Pfiffe und Juchzer aus dem
Publikum spiegelt er lächelnd mit halb geschlossenen Augen zurück.
Aaron McClellan (Bass) und Roger Sollenberger (Leadgitarre) |
Sollenberger stiehlt Nash zuweilen die Show. Er entlockt
seiner abgewetzten, schwarzen Gitarre die Sounds, die man mit Nashs Band
assoziiert und bei denen man sich immer gefragt hat, wer sie produziert. Sollte
es tatsächlich dieser Hänfling mit dem Collegeboy-Gesicht sein? – Man kann nur
hoffen, dass sich die Zwei niemals entzweien werden. Das gleiche muss man in
bezug auf Eric Swanson sagen, der die Songs genial lautmalerisch durch
Verzerrungen und mit nachhallenden Elementen anreichert.
Zwischen die aktuellen Songs streut die Band immer wieder
die besten Songs aus dem Erfolgsalbum „Rain Plans“: „Rexanimarum“ und „Woman at
the Well“ zum Beispiel, die schon beim ersten Erkennen Begeisterungsrufe im
Publikum wecken. Als Zugabe dienen „Baltimore“, „Ohio“ und „Rain Plans“. Es ist
der Moment, wo die Handykameras auf Videomodus schalten und die Fans versuchen,
diesen Moment schrammelnder Gitarrenekstase irgendwie festzuhalten.
Man sieht der Band die Härte des Musikgeschäfts an. Mehrfach
dankt Nash seinen Fans für die guten Albenverkäufe in Deutschland, die seinen
Besuch hier erst ermöglicht hätten. Während die Groupies unter den Fans noch ihr
letztes Getränk schlürfen, räumt die Band ihre Instrumente weg, Vasquez verkauft
ein paar Vinylplatten und Nash gibt ein paar Autogramme. Americana at its best.
Danke.
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