Hypnotisierender Elektropop im Docks - Morcheeba


von Katrin Dürwald
Auf dem Spielbudenplatz spielte eine dreiköpfige Band Gute-Laune-Musik, und um sie herum saßen Menschen, die ihr Gesicht mit geschlossenen Augen genießerisch der tiefstehenden Sonne zuwandten. Andere tranken Astra-Bier und unterhielten sich angeregt. Während von Zeit zu Zeit der Motor eines Reeperbahn-Cruisers aufheulte, bildete sich vor dem Docks eine lockere Reihe von Konzertgängern, die an diesem Abend zu Morcheeba wollten.

In unserer Gruppe entschied man sich dafür, auf die Vorgruppe zu verzichten und lieber noch draußen den lauen Abend zu genießen. „Das Docks ist eine Sauna“, klärte mich Konzertexpertin Rachel auf. Gegen viertel vor 9 Uhr machten wir uns dann doch auf in die besagte Sauna. Wir hatten gerade die Pause zwischen der Vorgruppe und Morcheeba erwischt und drängelten uns ins hintere Drittel des Parketts, wo wir mit Mühe das Mikro der Sängerin ausmachen konnten. – Um kurz nach 9 Uhr betrat Ross Godfrey mit seinen Bandmitgliedern die ganz in Rot erleuchtete Bühne. Die Menge johlte begeistert auf. Nach einem Gitarrenintro mit Synthesizern und Schlagzeug erschien Skye Edwards, lächelte in die Menschenmenge und begann zu singen. Sie trug ein wohlgeformtes, rotes Hartschalen-Bustier und eine enge schwarze Kunstlederhose, ihr Kopf war an den Seiten kurzrasiert, dazu trug sie lange, dicke Zöpfe. Ihren Gesang begleitete sie mit langsamen, fließenden Armbewegungen, die die Klangbilder des TripHop gefühlvoll umspielten. Zum Schluss eines Songs zog sie sich regelmäßig in den hinteren Teil der Bühne zurück, wo die Nebelschwaden sie verschluckten. Wenn sie dann wieder ans Mikro trat, hatte das etwas Königliches, als wäre sie dem Publikum neu erschienen. 

Bei schwülen 40 Grad tauschten Pärchen ein paar Zungenküsse, ein Nebenmann zündete sich in der hohlen Hand eine verbotene Zigarette an, und Bier tragende Männer drängten sich kleckernd an einem vorbei. Das Publikum bestand aus Mittdreißigern bis Mittvierzigern, die entspannt einen schönen Abend verleben wollten. Ross und Edwards lieferten ihre Klassiker ab: Blindfold, Part of the Process, The Sea, Gimme your love - und trafen damit die Erwartungshaltung ihrer Fans. „Sie waren groß Mitte der 90er!“, schrie mir Rachel ins Ohr. Ehrlich gesagt, hatte ich in dieser Zeit eher Massive Attack wahrgenommen, Morcheeba kannte ich da nur aus dem Radio. Aber die Stimme von Skye Edwards hatte auch für mich etwas Hypnotisches, ich genoss die Show. Edwards spielte mit dem Publikum, klopfte hörbar auf ihren Brustpanzer, lachte, sagte, darunter sähe es nicht mehr so aus, denn sie habe vier Kinder. Lacher, sie grinste – und stimmte das nächste Lied an.

Von der neuen Platte „Blaze Away“, die im Juni rauskommen soll, habe ich zugegebenermaßen nicht viel erkannt. Ich vermute, dass Morcheeba auf ihren altbewährten atmosphärischen Downbeat-Sound setzen. Das Ende des Konzerts deutete sich gegen 20 nach 10 Uhr an, als Edwards einen nah an der Bühne stehenden Mann fragte, ob er Gras hätte. Das wurde bejaht, man gab ihr eine Zigarette, die sie genüsslich entzündete und dann in der Band herumreichte. Sie gab zu, dass sie für ihren Sohn, der ihr hinter der Bühne zusehe, nur begrenzt als Vorbild tauge. Zwei Lieder als Zugabe, und dann löste sich die durchschwitzte Zuschauermenge fast dankbar auf und drängte dem frischluftigen Ausgang entgegen.




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