„De Seewulf“ – ein nahezu filmisches Vergnügen mit dramaturgischen Schwächen im Abschluss

von Katrin Dürwald
Der weinrote Samtvorhang ist noch geschlossen. Ein vollbärtiger Mann mit Dockermütze, bekleidet mit in einem Südwester, hält sich ein Mikro direkt an den Mund und imitiert Windgeräusche. Direkt danach wiederholt sich das aufgezeichnete Pattern, und er setzt darunter das Knarzen von Schiffsbalken. Obwohl wir ihm beim Schaffen dieser Geräusche zusehen, lässt sich das Gehör nur zu gern täuschen und versetzt uns direkt an Bord eines alten Seglers. Der Soundarrangeur und Tausendsassa ist Peter Kaempfe. Er wird im Laufe dieses Abends die Schläge bei Prügeleien, das Scheuern des Decks und das Gluckern des Meeres akustisch verstärken und uns das Gefühl vermitteln, wir seien in einem Hörspiel mit bewegten Bildern gelandet.
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Die Geschichte, um die es geht, kennen wir alle nur zu gut: der gutbürgerliche Schiffbrüchige Humprey van Weyden (Markus Frank) wird vom Robbenfänger „Ghost“, geführt vom tyrannischen Kapitän Wolf Larsen (Ulrich Bähnk), gerettet, muss dort aber anstatt an Land gebracht zu werden als Kombüsenjunge dienen. Van Weyden beobachtet Larsen, der von seiner Mannschaft „Seewolf“ genannt wird, und ist von ihm gleichermaßen fasziniert und abgestoßen. Auf dem Schiff herrscht rohe Gewalt, die Larsen mit sozialdarwinistischen Glaubenssätzen befeuert und rechtfertigt. Regisseur Frank Grupe bedient sich starker Bilder, die vor allem aus der Verfilmung mit Raimund Harmstorf von 1971 stammen; die Kartoffel darf dabei natürlich nicht fehlen! – Die Bühne besteht aus einem angeschnittenen Schiffsheck, das Ähnlichkeiten mit einer flachen Halfpipe aufweist. Am oberen Rand sitzt Larsen und thront über den Matrosen. Hinter ihm sieht man die endlose Weite eines wolkenverhangenen Himmels. Dieser ändert sich je nach Tages- oder Nachtzeit, von Flaute zu Sturm. Zuerst leuchtet er rosa und gelb, dann ist er dunkelblau und voller Sterne, später verfärbt er sich grau und unheilvoll. Plastisch und raffiniert, dieses Bühnenbild. Als es stürmt, jagt Larsen die Matrosen in die Takelage, und die Männer stolpern im Wogen der Wellen von Luv nach Lee.

Für das Verständnis der Geschichte ist es nicht maßgeblich, Platt zu verstehen. Wohl aber, um den Antagonismus zwischen van Weyden und Larsen voll auskosten zu können. In der zweiten Hälfte des Stücks wird mehr hochdeutsch gesprochen, was mich ein wenig gestört hat. Während der hochgebildete van Weyden mit Larsen und der Mannschaft platt spricht, sprechen die Männer (inklusive Larsen) mit der Schiffbrüchigen Maud Brewster (Jodie Ahlborn) hochdeutsch. Es hat den Eindruck, als wolle man damit Bildungs- oder Standesunterschiede verdeutlichen. Ich finde, dass dieses Klischee nicht mehr bedienen werden sollte. Herausragend, weil sehr sauber gesprochen, fand ich das Platt des Smutje Mugridge (Erkki Hopf), dessen schauspielerische Leistung mich ebenfalls sehr beeindruckt hat. 
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Bähnk alias Larsen spielt den Tyrannen kraftvoll und tragisch, Frank alias von Weyden bleibt trotz seines Aufstiegs zum Steuermann eher der skrupelbehaftete und hilflose Junge. Die Dualität im Werben um die Frau kommt in der Inszenierung zu kurz. Entsprechend hilflos wirkt die Flucht von van Weyden und Brewster auf die einsame Insel und ihr erneutes Zusammentreffen mit Larsen. Der Schluss des Stückes: „Blödsinn“ - ist der wahre Rohrkrepierer des Abends. Angesichts des lebendigen Bühnenbilds, der tollen schauspielerischen Leistung und der tollen Soundeffekte möchte man am Ende eines Stückes vor Begeisterung aufspringen und applaudieren. Stattdessen sitzt man im gerade verloschenen Licht und fragt sich, ob da noch was kommen kann. Entsprechend verhalten beginnt der Applaus, und das Publikum entscheidet sich, den verkorksten Schluss zu ignorieren und den bis dahin genossenen Abend zu würdigen.

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In die Bilder des Abends kann man genießerisch eintauchen. Identifikation ist erwünscht, Katharsis nicht nötig, gute Unterhaltung reicht. Das Ohnsorg-Theater beweist (wieder einmal), dass sie mehr können als „Tratsch im Treppenhaus“. Mit dieser Art von Romanadaption macht das Haus seinen Anspruch auf Platz Drei bei den Hamburger Theatern geltend.

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