Ausgezeichneter Jazz vor zu kleinem Publikum – Laura Jurd mit Dinosaur im Knust


von Katrin Dürwald
Auf dem Weg zum Knust wurde ich mehrmals um Kleingeld angeschnorrt, doch davon hatte ich selbst nicht viel. Beim Eingang in die Bar musste ich mein Ticket zeigen und bekam einen Stempel auf die Hand. Wieder den Handrücken hingehalten, Mist, dachte ich, als ich sah, dass sich die anderen auf der Innenseite des Unterarms stempeln ließen. Hatte was von Knutschfleck und vorgetäuschter Jugendlichkeit. Ich warf einen Blick auf die Bühne hinter der Bar– viel Platz war hier nicht. Aber es waren auch nur wenige Leute da. Mein Geld reichte gerade mal für ein Cider. Ich ging wieder raus und setzte mich auf eine der bayrischen Bierzeltgarnituren, während drinnen die Vorband, das LisaWulff-Quartett, zu spielen begann. Es war ein klassisch-melodischer Jazz mit der Frontfrau am Bass, der Lust machte reinzugehen. 
Laura Jurd mit Band Dinosaur im Hamburger Knust
Laura Jurd mit Dinosaur im Knust


Drinnen war nicht viel los, alles in allem vielleicht 30 Menschen, darunter einige Paare, die sich auf die wenigen Bänke kuschelten. Neben dem Mischpult standen ein paar Männer. Einige von ihnen trugen ihre langen, dünnen Haare zum Zopf gebunden, und der Zopf begann am verbliebenen Haarkranz. Wer eingesehenen hatte, dass es dafür nicht mehr reichte, trug Glatze, andere tendierten zu einer grauen Matte, die schon lange keinen Frisör mehr gesehen hatte. Ebenso nachlässig sah ihre Kleidung aus, so als wollten sie zeigen, dass Eitelkeit und Jazz nicht zusammenpassen. Lisa Wulff wurde zusammen mit ihren Bandkollegen Adrian Hanack (Tenorsaxofon, Flöte), Martin Terens (Klavier, E-Piano) und Silvan Strauß (Schlagzeug) mit einem warmherzigen und anerkennenden Applaus verabschiedet. Das Klatschen von 30 Leuten klingt blass, auch wenn es von Herzen kommt. 

Nach einer Pause kam mit der britischen Band „Dinosaur“ die Hauptband des Abends auf die Bühne. Ich stutzte, denn der Schlagzeuger war der Gleiche, der schon bei Lisa Wulff mitgespielt hatte. Laura Jurd, wegen der ich die Karte gekauft hatte, bedankte sich für das spontane Einspringen des Drummers. „Ihr Drummer hat seinen Pass verloren“, flüsterte mir ein Lockenkopf mit zwei professionellen Kameras um den Hals zu. „Der Junge hat gestern Nacht die Noten bekommen.“ Und dieser Silvan Strauß schien jetzt einen Riesenspaß zu haben, mit der Band von Laura Jurd zu spielen. Ob Luis Armstrong, Erik Truffaz oder Till Brönner - ich mag die Trompete im Jazz. Und so wie die junge Britin dieses Instrument beherrscht, wollte ich sie unbedingt live erleben. Zugegebenermaßen kannte ich die Musik von Dinosaur gar nicht. Ich hatte ihre Platte „Human Spirit“ aus dem Jahr 2015 gehört und war begeistert gewesen, sowohl von dem Gesang von Lauren Kinsella als auch von den großartigen Songs, die aus der Feder von Jurd stammten. Mit „Dinosaur“ hatte sich Jurd wieder dem Instrumentaljazz zugewandt. Nun stand sie direkt vor mir, in einer bunten Pumphose und weinrotem Unterhemd. „Trägt einen Schlafanzug“, kommentierte eine Nachbarin grinsend. Wie Jurd während ihres meist einhändigen Trompetenspiels sich die Brille wieder auf die Nase schob, hatte schon etwas Unprätentiöses. 
Elliott Galvin jammt zusammen mit Silvan Strauß
Der junge Mann an den Synthesizern, Elliot Galvin, spielte nerdgleich mit vier Händen gleichzeitig, seine Sounds ergänzten sich wunderbar mit der Trompete. Mit seiner Hilfe verdichtete sich die von der Trompete vorgezeichnete Melodie zu immer wieder schönen und überraschenden Klangmustern, Galvin entwickelte Spannungsbögen, um sie dann entspannt in etwas Neues umzuleiten. Der jungenhafte Connor Chaplin zupfte dazu präzise den Bass. Es machte Spaß, Silvan Strauß am Schlagzeug zu beobachten. Nur bei einem Stück brauchte er dauerhaft die Noten, ansonsten genügte es ihm, auf Lauras und Elliotts Spiel einzugehen. Wenn er wirklich erst in der Nacht die Noten bekommen hatte, war das eine tolle Leistung, und er schien das zu wissen und seinen Einsatz zu genießen. Das Publikum würdigte das variantenreiche Spiel der Band mit Zwischenapplaus und begeisterten Juchzern. Trotzdem gab es nur eine Zugabe, mehr rhythmisches Klatschen können vierzig Leute einfach nicht leisten. Wir werden noch viel von Laura Jurd hören, und von Elliott Galvin und Silvan Strauß auch. Die Bar vom Knust ist nur der Anfang. Und in der Zwischenzeit wünsche ich ihnen genügend CD und Vinyl-Verkäufe.
Jazztrompeterin Laura Jurd

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