Weibliche Karrieremuster - wenn das der Preis ist, dann doch lieber nicht!


"Herrinnen" im Theater Kontraste im Winterhuder Fährhaus

von Katrin Dürwald
Was liegt näher, als mit den Kolleginnen aus dem firmeneigenen Frauennetzwerk in das Stück „Herrinnen“ von Theresia Walser zu gehen? – Hier begegnen sich fünf Frauen unmittelbar vor einer Gala zum allerersten Mal. Alle sind für den „Staatspreis für weibliche Lebensleistung“ nominiert. Im Wartebereich hinter der Bühne gehen die Frauen aufeinander los. Mit Stutenbissigkeit und Potenzgehabe knallen unterschiedliche Lebenskonzepte aufeinander, und jede der Frauen kämpft rücksichtlos um den Endsieg.

Kenne ich tatsächlich diese Frauentypen? – Bin ich ihnen mal begegnet? – Ja.

  • Typus 1: ohne Kinder, entweder alleinstehend oder verheiratet, Karriere der 70/80er Jahre
  • Typus2:  Self-made Woman, Proll im Porsche, scheißt auf ihre Weiblichkeit
  • Typus 3: Generation Y, Karriere und Kinder – hat kein Problem damit, das beides als realisierbar zu sehen und meint alles im Griff zu haben.
  • Typus 4: etabliert im weiblich dominiertem Umfeld, nervt ihre Umgebung mit Weichspüler-Pädagogik
  • Typus 5: Frau, die früher ein Mann war.

Typus 1 verkörpert Marion Martienzen herrlich verbissen in Hosenanzug, hochgeschlossener Bluse und Gehbehinderung. Diese Frau musste sich noch zwischen Karriere und Familie entscheiden. Knallhart will sie jedem Eindruck vorbeugen, sie sei eine Quotenfrau. Sie hat sich von ihrer Weiblichkeit verabschiedet, und in ihrem Umfeld duldet sie keine anderen Frauen, weil es sie geschwächt hätte, wenn Frauen in ihrem Fahrwasser was geworden wären. „Als Frau musst Du in Deinem Job doppelt so viel leisten wie Männer“. – Das ist nicht so sehr eine Feststellung, als es vielmehr ihre eigene Erwartungshaltung an Frauen ausdrückt, frei nach dem Motto: ich habe Opfer gebracht, jetzt bist du dran.

Vivien Mahler spielt Typus 2 radikal. Die prollige Bauunternehmerin schmeißt sich breitbeinig in den Klappsessel, zuppelt sich am Schritt und umarmt in männlicher Besitzerpose die Rückenlehne. So jemandem bin ich im realen Leben zwar nicht begegnet. Aber ich beobachte diese Züge im Kleinen: wenn Polizistinnen über sexistische Witze ihrer Kollegen lachen, um dazuzugehören. Wenn ein Chef fragt, wie man als Frau zur „Frauenquote“ stehe und man genötigt wird, sich mit seiner eigenen Ablehnung solidarisch zu zeigen. Wenn in Besprechungen alle anbiedernd dem Alpha-Männchen zunicken – ich könnte meine Erfahrungen weiblicher Selbstverleugnung noch lange weiter fortsetzen.
Typus 3 begegne ich seit einigen Jahren wie im Rudel. Überzeugend gespielt von Rabea Lübbe tut dieser Typ so, als sei Karriere und Familie überhaupt kein Widerspruch, nicht mal ein Spannungsfeld. Im Gegenteil, diese Frau sieht es als Zeichen ihrer Leistungsfähigkeit, denn kinderlos und Karriere – das kann ja jede(r). Ihre Selbstzweifel, ob die Kinder durch ihre Karriere Schaden nehmen könnten, macht sie mit sich selbst aus. Zu Hause ist sie zwar Heimchen am Herd, kocht für ihre Sippe mehrgängige Menüs, aber sie würde in der Firma nie zugeben, dass ihr Mann nicht so mitzieht, wie sie es sich erhofft hat.

Die Frau des Typus 4 hat sich zwar ihre Weiblichkeit bewahrt, aber sie wirkt dabei moralinsauer wie Claudia Roth. Gespielt wird diese Frau von Kristina Brons. Sie spricht davon, niemanden ausgrenzen zu wollen und macht dann doch locker dabei mit. Sie hetzt, aber sie tut es nicht offensiv, sie stichelt eher oder bildet Lager. Sie hat begriffen, dass sie nicht den Platzhirsch spielen kann. Also versucht sie es mit indirekter Einflussnahme. Sie koaliert mal mit dem Einen, mal mit dem Anderen und hat keine Probleme, eigene Intrigen zu entsinnen.  In diesen Zügen erkenne ich mich -leider – auch ein wenig selbst. Entsprechend unsympathisch finde ich sie, auch wenn das nicht an der schauspielerischen Leistung von Kristina Brons liegt.

Typus 5 ist der „Deus ex machina“ dieses Stückes. Konstantin Graudus spielt die vollbärtige Brenda alias Malte absichtlich unüberzeugend und durchbricht diese Rolle frühzeitig mit der Frage „bin ich ein Mann, der eine Frau spielt – oder bin ich ein Mann, der eine Frau spielt, die ein Mann war? Walser hat ihn ins Spiel gebracht, um männliche Positionen oder Stereotype in die Dialoge bringen zu können. Besonders gelungen fand ich den Moment, als Brenda alias Malte den Frauen vorwirft, wie furchtbar ihr Machogehabe ist und die Frauen ihn fragen, ob Frauen denn per se immer besser sein müssten als ihr männliches Pendant, ob sie immer die Welt verbessern müssten oder als ethische Waschmaschinen zu dienen hätten.

Der Zickenkrieg wird gekonnt auf zwei Erzählebenen ausgetragen. Zur Intensität tragen auch die fiesen Sätze der Protagonistinnen bei, die sie im Laufe des Stückes gern einmal wiederholen. Insgesamt ein intensives Kammerspiel mit klasse SchauspielerInnen, dem ich ein regelmäßig volles Haus wünsche.

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