Auch für Agnostiker geeignet! - Verdis „Messa da Requiem“ in der Hamburger Staatsoper
Ein feinfühliges Orchester, Chor mit schauspielerischen Talenten und hochklassige Solisten machen den Abend in der Hamburgischen Staatsoper zum musikalischen Genuss
von Katrin Dürwald
Als sich der Vorhang öffnet, steht im Vordergrund der Bühne ein übergroßes Holzregal, dessen Fächer quadratisch, etwa einen Meter tief und nach hinten offen sind. In einem der Fächer dieses riesigen Gitters sitzt eine Frau, die ihre Hände verzweifelt vors Gesicht hält. Langsam kriechen nacheinander durch andere Fächer ihr Mann, ein Kind und eine Freundin – die Verzweiflung der jungen Frau ist wie weggeblasen; alle spielen ausgelassen Ball miteinander. Hinter dem dickwandigen Holzraster erahnt man den Chor, der kurze Zeit später gedämpft ins Publikum dringt. Hinter dem Chor steht ein zweites Holzregal, durch das es mosaikhaft schimmert, als schaue man zu Kirchenfenstern hoch. Die Spielenden befinden sich mitten im Leben, der Chor hingegen steht für die Verstorbenen im Totenreich. So behutsam der Dirigent Kevin John Edusei das „Kyrie“ begleitet, umso heftiger bricht sich das „Dies Irae“ Bahn: der Chor dringt durch die Gitter nach vorn und steht da, ganz unterschiedlich gekleidet, wie ein Querschnitt der Menschheit: die Verstorbenen voriger Generationen verdeutlichen den Lebenden wie dem Publikum, welche Prüfung man am Tag des jüngsten Gerichts bestehen muss. Für mich bleibt der hervorbrechende Chor das stärkste Bild des Abends. Beinah ist mir, als stände ich selbst da vorn. Was kann jetzt noch kommen? denke ich.
Als sich der Vorhang öffnet, steht im Vordergrund der Bühne ein übergroßes Holzregal, dessen Fächer quadratisch, etwa einen Meter tief und nach hinten offen sind. In einem der Fächer dieses riesigen Gitters sitzt eine Frau, die ihre Hände verzweifelt vors Gesicht hält. Langsam kriechen nacheinander durch andere Fächer ihr Mann, ein Kind und eine Freundin – die Verzweiflung der jungen Frau ist wie weggeblasen; alle spielen ausgelassen Ball miteinander. Hinter dem dickwandigen Holzraster erahnt man den Chor, der kurze Zeit später gedämpft ins Publikum dringt. Hinter dem Chor steht ein zweites Holzregal, durch das es mosaikhaft schimmert, als schaue man zu Kirchenfenstern hoch. Die Spielenden befinden sich mitten im Leben, der Chor hingegen steht für die Verstorbenen im Totenreich. So behutsam der Dirigent Kevin John Edusei das „Kyrie“ begleitet, umso heftiger bricht sich das „Dies Irae“ Bahn: der Chor dringt durch die Gitter nach vorn und steht da, ganz unterschiedlich gekleidet, wie ein Querschnitt der Menschheit: die Verstorbenen voriger Generationen verdeutlichen den Lebenden wie dem Publikum, welche Prüfung man am Tag des jüngsten Gerichts bestehen muss. Für mich bleibt der hervorbrechende Chor das stärkste Bild des Abends. Beinah ist mir, als stände ich selbst da vorn. Was kann jetzt noch kommen? denke ich.
In der folgenden Szene werden die „Setzkästen“ halbiert und
in mehreren Reihen nach hinten aufgestellt, so dass die Bühne mehr Raum bekommt.
Das Bild wird statischer, dafür kommen die Solisten besser zur Geltung. Ich
genieße die Passagen der Mezzosopranistin Nadezhada Karyazina und des Tenors
Dmytro Popov ganz besonders. Maria Bengtssson als Sopran und Gabor Bretz als
Bass sind ebenfalls gut, aber sie ergreifen mich nicht so sehr. Der Sopran hat
viele sehr leise, leidende Passagen, die vermutlich schwer zu singen sind, aber
gesanglich kann sie sich damit kaum vom Chor abgrenzen.
Im Laufe der Aufführung werden mir die Untoten unheimlich:
Während Kinder zwischen den Setzkästen umhertoben, kehren die Chorsänger dem
Publikum den Rücken und wackeln langsam mit steifen Beinen in den hinteren Teil
der Bühne. Ich werde an die TV-Serie „The Walking Dead“ erinnert und sehe den
Chor als Bedrohung für die Kinder. Dieser Eindruck verstärkt sich noch mit dem
Anblick einer unförmigen toten Frau, die in Negligé, Bademantel und Puschen
über die Bühne schlurft.
Manche Bilder dieses Abends bleiben für mich rätselhaft.
Warum werden tote Kinder aus Gräbern gezogen? – Warum wird eine fast nackte
alte Dame auf eine Art Totenbett gelegt? – Zum Finale der Aufführung wird ein Holzgitter
auf den Boden herabgelassen, und kurze Zeit später kriechen die Toten zurück in
ihre Gräber, was auch einen würdigen Abschluss für die besagte TV-Serie bilden
würde, aber es kehrt noch einmal Leben in sie: sie recken sich aus den Gräbern,
bedrohen die Sopranistin Bengtsson, die in diesem Moment ihren besten Part hat.
Dramatische Paukenschläge künden vom Ende, der Chor singt das „Libera me“, ohne
dass mir klar geworden wäre, ob es zur Auferstehung kommt. In meinem Kopf sehe
ich nur um Gnade bittende Hände, die aus den Gräbern herausragen und langsam hinabsinken.
Hoffnungsfroh für Ostern stimmt mich das nicht gerade.
Ein großes Lob gilt der musikalischen Leistung des
Orchesters: dessen Sprache hat für mich die Geschichte auf der Bühne einfühlsam
unterstützt. Es war perfekt abgestimmt auf den Rhythmus des Chors und passte
sich der Melodik der Solisten unaufdringlich und unmerklich an. Ich freue mich,
mehr von Kevin John Edusei zu hören.
Die Inszenierung von Calixto Bieito würde ich als solides
Handwerk einstufen. Die Bilder boten viel Deutungsspielraum. Dass ich religiös
nicht genug gebildet bin, um sie alle einordnen zu können, werde ich ihm nicht
vorwerfen. Aber mir gefiel nicht, dass die Solisten erzählerisch in keinerlei Zusammenhang
standen, außer vielleicht im ersten Bild.
Wer mehr über Verdi und den Hintergrund zu diesem Stück
erfahren möchte, dem sei dieser wirklich tolle Bericht von der Dramaturgin des
Stücks, Janina Zell, empfohlen:
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